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25.07.2024

Kirchenmusik stärkt den Glauben und den Zusammenhalt

 Foto: Christian Klenk

Bei einem Tag der offenen Tür im Haus der Kirchenmusik in Eichstätt präsentierten die Nachwuchschöre der Eichstätter Dommusik unter der Leitung von Domkapellmeister Manfred Faig (Bildmitte) das Musical „Der blaue Planet“. Foto: Christian Klenk

Foto: Christian Klenk

Die Jugendkantorei am Eichstätter Dom singt beim Friedensgebet für die Ukraine auf dem Residenzplatz. Foto: Christian Klenk

Eichstätt. (pde) – Ob die Gemeinde selbst oder der Kirchenchor singt, ein Instrumentalensemble oder die Orgel spielt – die Kirchenmusik ist aus dem Gottesdienst nicht wegzudenken. Und sie lebt vom ehrenamtlichen Engagement. Über 6000 Menschen gestalten mit ihren musikalischen Talenten ein klangvolles Bistum Eichstätt und bereichern darüber hinaus das kulturelle Leben.

„Kirchenmusik berührt, verbindet, ist Verkündigung, macht Spaß, spricht für lebendige Gottesdienste, integriert alle Altersgruppen und ist ein Fenster in die Gesellschaft“, sagt der Eichstätter Domkapellmeister und Leiter der Fachbereiches Kirchenmusik bei der Diözese Eichstätt, Manfred Faig. Die Zahlen, die er für das Bistum nennt, sind beeindruckend: rund 5400 ehrenamtlich Engagierte in Chören, Instrumentalgruppen und sonstigen Musikkreisen sowie 766 nebenamtliche Kirchenmusikerinnen und -musiker. Was sie und ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Bistümern leisten, wird auch über kirchliche Kreise hinaus hochgeschätzt.

Große gesellschaftliche Bedeutung

Der Deutsche Musikrat (DMR), der sich für die Interessen von 15 Millionen musizierenden Menschen in Deutschland einsetzt, sieht in der Musik in Religionen und Kirchen „einen prägenden Bestandteil unseres kulturellen Lebens – weit über die religiöse Verkündigung hinaus.“ In Zeiten, in denen die Gesellschaft auseinanderzudriften droht, spielen Kultur und Bildung mehr denn je eine wesentliche Rolle für eine freie und demokratische Gesellschaft. „Eine grundlegende Bedeutung kommt dabei auch der Musik in Religionen und Kirchen zu. Sie ist nicht nur seit jeher Ausdruck und Vermittlerin des Glaubens, sondern steht mit ihrer Wirkungskraft allen offen“, so der Musikrat. In der fruchtbaren Spannung zwischen innerkirchlicher Funktion und künstlerischer Autonomie erfülle sie wesentliche soziale Aufgaben. Über 800.000 Menschen sind in Deutschland in kirchlichen Ensembles und Chören engagiert. „Hier werden Gemeinsinn gestiftet, das Miteinander gestärkt und Selbstwirksamkeit sowie Bewusstseinsbildung gefördert; dies alles ist für die heutige Gesellschaft essenziell“, schreibt der Musikrat auf seiner Website.

Mit Leidenschaft dabei

„Unsere Kirchenmusik wird von nebenamtlichen Kräften getragen“, bestätigt Manfred Faig. Er ist stolz darauf, dass es im Bistum Eichstätt 241 Kirchenchöre, 15 Jugendchöre, 54 Kinderchöre, 84 Instrumentalkreise, 40 sonstige Musikgruppen, 489 Organistinnen und Organisten und 277 Chorleiterinnen und Chorleiter gibt. Dazu kommen derzeit 47 Schülerinnen und Schüler in der diözesanen Kirchenmusik-Ausbildung.

Einer von den vielen Ehrenamtlichen ist Peter Sillner, der seit 1980 als Organist in der Pfarrei St. Walburga Beilngries tätig ist und seit 1993 auch den Chor „Cantabile“ leitet. „Neben dem Spaß beim Musizieren, dem Abstand zum beruflichen Alltag und dem Gemeinschaftserlebnis, besonders beim Chorsingen oder beim Ensemblespiel, ist für mich ein Hauptmotiv das erhebende Gefühl, sich zum Lob Gottes und zur Freude der Menschen zu engagieren und zu musizieren“, sagt Sillner. Kirchenmusik bedeute sehr viel in seinem Leben: „Sie ist Hilfe bei spirituellem Wachstum, Ausdruck meiner kirchlichen Botschaft und bindet mich emotional. Sie spendet mir Trost in schwierigen Lebensphasen und tiefe innere Freude.“

„Singen ist mein Leben“

Für die Sopranistin und Kantorin Astrid Weigl aus dem Chor der Stadtpfarrkirche Berching gehören der Gesang und das Religiöse einfach zusammen. Bereits im zarten Alter von zehn Jahren hat sie den „Engel“ in den Ölbergandachten in Berching gesungen und ist seitdem in der Kirchenmusik aktiv. Seit 30 Jahren singt sie ununterbrochen im Kirchenchor in Berching und ist seit 24 Jahren dort als Kantorin tätig. „Singen ist mein Leben. Ohne Gesang fehlt mir etwas“, sagt Weigl. Ausschlaggebend für ihren Einsatz im Chor seien der „engagierte und immer motivierende“ Chorleiter, Regionalkantor Peter Hummel, und die stark ausgeprägte Chorgemeinschaft. Kirchenmusik bedeute für sie, am Kirchenjahr aktiv teilzunehmen, den Gottesdienst festlich mitzugestalten und die Gemeinde mit der Musik zu erfreuen. „Ein Gottesdienst ohne Musik ist wie eine Suppe ohne Salz. Man kann sie zwar essen, aber es fehlt der Genuss“, sagt Astrid Weigl.

Im Kirchenchor zu singen empfindet auch die fünfzehnjährige Svea Schulz als große Bereicherung für ihr Leben. Sie singt seit 2022 in der Jugendkantorei am Eichstätter Dom. „Zum einen motivieren mich meine Freunde im Chor unglaublich, da die Chorproben mit ihnen immer lustig sind und Spaß machen. Zum anderen macht mich das Singen oft glücklich“, sagt Schulz. Bei der Kirchenmusik komme eine schöne Stimmung auf und entwickele sich ein Gemeinschaftsgefühl unter allen Chormitgliedern“. Sie habe bei der Jugendkantorei viele Freunde gefunden und es gefalle ihr besonders, „dass jede und jeder so sein kann wie sie oder er ist“.

Als kurz nach seiner Erstkommunion in der Kirche seiner Heimatpfarrei St. Anton in Ingolstadt eine neue große Orgel aufgestellt wurde, war der kleine Bernhard Wittmann von dem feierlichen Klang so fasziniert, dass er dieses Instrument unbedingt erlernen wollte. Und das tat er nach einigen Jahren Klavierunterricht, als er „endlich groß genug war, um auch die Orgelpedale zu erreichen“. Mit 15 Jahren hatte er seinen ersten liturgischen Einsatz an der Orgel in der Pfarrei seines Onkels in der Osternacht 1970 „im fernen Windsbach“, wie er sagt. Über viele Jahre war Wittmann dann Aushilfsorganist in Ingolstadt und lernte so die unterschiedlichsten Instrumente kennen. Als sein ehemaliger Orgellehrer 2003 in Ruhestand ging, übernahm er den Orgeldienst in der Pfarrei St. Anton im Nebenamt, in Zusammenarbeit mit Kollegen und dem Chorleiter, einem ausgebildeten Kirchenmusiker. „Ein Höhepunkt meiner Organistentätigkeit waren ein paar Gottesdienste, die live im Rundfunk übertragen wurden und die eine besondere Motivierung darstellten“, erzählt Wittmann. „Das Orgelspiel ist neben Familie und Beruf eine ganz wesentliche Bereicherung meines Lebens, die ich nicht missen möchte. Regelmäßiges Üben und auch der Besuch von Fortbildungen gehören dabei selbstverständlich dazu.“

Vielfältiges Fortbildungsprogramm

Ehrenamtliche aus allen Generationen haben bei der Kirche die Möglichkeit, sich musikalisch weiterzubilden. Jedes Jahr setzt das Team des Fachbereiches Kirchenmusik der Diözese Eichstätt ein buntes Fortbildungsprogramm mit Angeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene um. Die Themen reichen von Chortagungen, Dirigieren, Orgelspiel, Gospel, Neues Geistliches Lied über Kantorenschulung, Chorcoaching bis hin zu Orgelschnuppertagen und Kinderorgelkonzerten. „Besonders das Kinderorgelkonzert ‚Auszug aus Ägypten‘ ist ein Renner und wurde bereits mehr als 20-mal in den verschiedensten Ecken unseres Bistums aufgeführt“, erzählt Faig. Für die Fortbildungen sowie für den Unterricht in Orgel und anderen kirchenmusikalischen Fächern stehen ihm drei hauptamtliche Regionalkantoren sowie eine hauptamtliche Orgellehrerin (für zehn Stunden) zur Verfügung. „Um alle Aufgaben abdecken zu können sind auch die Dommusiker in Unterricht und Fortbildung integriert“, erklärt Faig. „Ich wage zu behaupten, dass keine deutsche Dommusik so stark wie die Eichstätter Dommusik in das Bistum wirkt und mit dem Bistum verzahnt ist.“

Vor dem Hintergrund aktueller Kirchenentwicklungen und den Sparmaßnahmen im Bistum muss laut Faig auch in der Kirchenmusik der Gürtel enger geschnallt werden. Das bleibe nicht ohne Folgen. „Derzeit können wir mit dem bestehenden Personal nicht alle Anfragen und Wünsche im Unterrichtsbereich und auf anderen Gebieten erfüllen“, so Faig. „Trotzdem sind wir mit Leidenschaft bei der Sache.“

Zusammen mit seinem Team hat Faig seit seinem Wechsel 2020 vom Bistum Trier nach Eichstätt eine Reihe von Projektideen entwickelt. Dazu zählen unter anderem Friedenskonzerte mit Kindern und Erwachsenen, Singen in der Grundschule, Kinderchortage, offenes Singen mit Senioren, Singen in sozialen Einrichtungen, einer Fahrt zum Gospelkirchentag nach Essen mit Sängerinnen und Sängern aus dem Bistum und einem bistumsweiten diözesanen Kirchenmusiktag. Damit möchte sein Fachbereich zeigen, dass es sich lohnt in die Kirchenmusik zu investieren. Der Eichstätter Domkapellmeister unterstreicht – wie der Deutsche Musikrat – die große Bedeutung der Kirchenmusik für das Glaubensleben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt: „Kirchenmusik erreicht Menschen aller Generationen, macht Verkündigung lebendig, bringt sich in gesellschaftliche Prozesse ein und kann Brücken schlagen.“ Aus diesem Grund ist für Faig klar: „Neben allen neuen Initiativen wird die Musik in der Liturgie und in geistlichen Konzerten immer einen wesentlichen Schwerpunkt kirchenmusikalischen Wirkens bilden.“

Text: Geraldo Hoffmann

Zur Geschichte der Kirchenmusik


Über Jahrhunderte hatte kirchenmusikalisch nur der Gesang Platz in der Liturgie, Instrumentalmusik war verpönt. Im 19. Jahrhundert gab es hingegen den Trend, konzertante, opernhafte Musik im Gottesdienst – im wahrsten Sinne des Wortes – aufzuführen, so dass die eigentliche liturgische Feier zur Nebensache geriet. Das änderte Papst Pius X. (1903 bis 1914) zu Beginn des 20. Jahrhundert: Er ließ neben gregorianischem Choral und vokaler Chormusik dann auch „moderne Musik“ zu, „sofern ihr Stil nicht weltlichen Ursprungs war und die liturgischen Normen berücksichtigte“.

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgte in den 1960er Jahren eine Neuordnung der Liturgie, also des Ablaufs eines Gottesdienstes, und damit eine weitere Öffnung der Kirchenmusik. „Die Kirche verschließt ihren liturgischen Handlungen keine Art von Kirchenmusik, sofern sie dem Geist der betreffenden liturgischen Handlung und dem Wesen ihrer einzelnen Teile entspricht“, heißt es in der Instruktion „Musicam sacram“ aus dem Jahr 1967.

Mittlerweile sind die Grenzen von Kirchenmusik und weltlicher Musik fließend, so wie auch die Grenzen von „ernster Musik“ im Gegensatz zu „Unterhaltungsmusik“ immer mehr verschwimmen. Während Kirchenmusik lange Zeit hauptsächlich in der Eucharistiefeier zu hören war, bestenfalls noch in der Vesper, sind mittlerweile viele neue kirchenmusikalische Formate entstanden beziehungsweise wiederbelebt worden. Domkapellmeister Manfred Faig nennt hierzu die Orgelmatineen mit geistlichen Impulsen, das Morgenlob, das Abendlob, den musikalischen Abendsegen, die Chormeditation, den Evensong, den Noonsong sowie zahlreiche freie Formate wie zum Beispiel „Freitag um neun“, „Musik und Segen“, „Nightfever“, „Taizé-Gebet“, „Lobpreis-Abende“ und ähnliches.

Als diözesanes Aufgabenfeld ist Kirchenmusik im Bistum Eichstätt eine relativ neue Erscheinung. Erst nach dem Zweiten Vatikanum wird ab 1969 im Schematismus, dem Handbuch mit der Struktur des Bistums und den Kontaktdaten seiner Dienststellen, eine Kommission für Kirchenmusik aufgeführt. Für das Jahr 1972 findet sich in der Publikation ein „Referat Kirchenmusik“ unter der Leitung von Wolfram Menschick. Von 1969 bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand 2002 war Menschick Domkapellmeister, Domorganist, Diözesankirchenmusikdirektor und Glockensachverständiger in Eichstätt. Ihm folgte Christian Heiß, der 2019 zu den Regensburger Domspatzen wechselte. Seit 1. Januar 2020 ist Manfred Faig Eichstätter Domkapellmeister und Leiter des Fachbereiches Kirchenmusik, der bis vor kurzem noch „Stabsstelle Amt für Kirchenmusik“ hieß.

Text: Geraldo Hoffmann

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